Aktuelles Erinnerungsblatt I

Judenhäuser in Wiesbaden

Lageplan Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Wozu »Judenhäuser«?

Die Einrichtung von »Judenhäusern« folgte eindeutigen Absichten.

Sie diente nachweislich der Enteignung, Entrechtung, Ausgrenzung, Kontrolle von Jüdinnen und Juden

sowie der Vorbereitung der Deportation und des organsierten Massenmords.

Lageplan Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

»Judenhäuser« als Instrumente der Kontrolle und Ausgrenzung

Die Judenfrage müsste jetzt mit allen Mitteln angefasst werden, denn sie müssten aus der Wirtschaft raus. […]
Generalfeldmarschall Hermann Göring kam in einer Sitzung im Reichsluftfahrt-ministerium am 14. Oktober 1938 wie es im stenografischen Protokoll heißt –»auf das Judenproblem zu sprechen. Die Judenfrage müsste jetzt mit allen Mitteln angefasst werden, denn sie müssten aus der Wirtschaft raus. […] Er verwies auf die Möglichkeit, für die aus ihren bisherigen Unterkünften entfernten Juden im Notfall […] Ghettos in den einzelnen Großstädten ein[zu]richten. «
Die Kontrolle des Juden durch das wachsame Auge der gesamten Bevölkerung ist besser,..
Wohneinheiten und Sammelstellen für Jüdinnen und Juden stark. Derartige »Judenhäusern« mit hoher Wohndichte hielt er für die geeigneteren Kontrollobjekte.
Mit dieser Auffassung setzte Heydrich sich weitgehend durch.
Am 28. Dezember 1938 erließ Hermann Göring in seiner Funktion als »Beauftragter des Vierjahresplans« eine zunächst noch geheime Richtlinie, mit der die Umsiedlung der Jüdinnen und Juden in »Judenhäuser« durchgesetzt werden sollte. Die Zusammenführung von Jüdinnen und Juden in einer überschaubaren Zahl von Liegenschaften erleichterte ohne Frage ihre Überwachung und sicherte den NS-Häschern einfache Zugriffsmöglichkeiten. Der Versuch einer räumlichen Absonderung der jüdischen von nicht-jüdischen Bevölkerungsteilen war zugleich Teil einer umfassenderen Strategie der sozialen Isolation und Stigmatisierung.
Reinhard Heydrich dazu wörtlich: »Da die Juden jede Möglichkeit benutzen, um sich auch weiterhin zu tarnen, erweist es sich als notwendig, die Kennzeichnung der Wohnungen von Juden durchzuführen«. Mit Runderlass vom 13. Februar 1942 wurde verfügt, dass die Wohnungen und Häuser von Jüdinnen und Juden mit einem Stern zu kennzeichnen sind.
Detailversessen hieß es: »Die Kennzeichnung hat durch einen Judenstern aus Papier zu erfolgen, der in Form und Größe dem […] vorgeschriebenen Kennzeichen entspricht, jedoch in weißer Farbe gehalten wird, damit er sich von den meistenteils braunen Türen besser abhebt. Das Kennzeichen ist unmittelbar neben dem Namensschild oder in Ermangelung eines solchen sonst wie am Wohnungseingang von außen und für jedermann sichtbar durch Aufkleben zu befestigen.«
denn jeder Sternjude trug sein Ghetto mit sich, wie eine Schnecke ihr Haus.«
Selbst damit gaben sich die Nazis nicht zufrieden, sie wollten auch eine gut sichtbare Stigmatisierung auch an Ort und Stelle.
Die Nazis hatten das Judentum zum »Hass-Objekt« auserkoren. Darüber, wie man dieses »Hass-Objekt« am besten unter Kontrolle halten könne, gab es zunächst durchaus unterschiedliche Vorstellungen:
Gegen eine Umsetzung dieser Ghetto-Strategie wandte sich Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts mit den Worten: »Das Ghetto in der Form vollkommen abgesonderter Stadtteile, wo nur Juden sind, halte ich polizeilich für nicht durchführbar. […] Die Kontrolle des Juden durch das wachsame Auge der gesamten Bevölkerung ist besser, als wenn Sie die Juden zu tausenden und aber tausenden in einem Stadtteil haben, wo ich durch uniformierte Beamte eine Überwachung des täglichen Lebenslaufes nicht herbeiführen kann.« Heydrich machte sich stattdessen für die Einrichtung von konzentrierten
Deren bekanntester Terrorakt bestand ohne Frage in der am 19. September 1941 in Kraft gesetzten »Polizeiveror- dnung über die Kennzeichnung der Juden«, die alle Betroffenen im Deutschen Reich zum Tragen des »Judensterns« verpflichtete. Mit dieser Kennzeichnungspflicht verband sich das Verbot, die Wohngemeinde ohne Erlaubnis zu verlassen. In seinem 1966 erschienenen Buch »Die unbewältigte Sprache« merkte sein Autor Victor Klemperer dazu an: »Jetzt, da der Judenstern eingeführt war, tat es nichts mehr zur Sache, ob die Judenhäuser zerstreut lagen oder ein eigenes Viertel bildeten,
In dem Märchen »Ali Baba und die vierzig Räuber« schützt die kluge Dienerin Mardschana ihren Herrn Ali Baba, indem sie die massenhafte Kennzeichnung von Häusern auf die Spitze treibt. Die Nazis trieben die Kennzeichnung von Häusern auf die Spitze, um etwas ganz anderes deutlich zu machen: Wer hier wohnt, ist ein »Untermensch«, ist »Freiwild«.

Auch eine Diktatur kennt

die »Mühen der Tiefebene«

Von Führung und Kontrolle zu reden, ist das eine. Diese Absichten effizient umzusetzen, das andere. Der »NS-Staat« kannte keine Gnade. Aber der »NS-Staat« war keine Diktatur aus einem Guss. Das »Führerprinzip« sicherte konkurrierenden Macht-trägern in den Parallel- Universen von Parteigliederungen, Justiz und Verwaltung, Reichswehr, Wirtschaftsverbänden etc., etc. weitreichende Befugnisse zu, die oft auf Kolli- sionskurs lagen und sich wechselseitig blockierten. Zudem funktioniert auch ein mit rechtlichen Vorschriften, finanziellen Sanktionen und Anreizen gefügig gemachter Privatsektor nicht durchgängig nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Ein weiteres Handicap bildeten die von der radikalen antisemitischen Staatsideologie befeuerten Erwartungen und Begehrlichkeiten. Sie entfalteten immer wieder eine Eigendynamik, die Herrschaftsinteressen torpedierte. Deshalb gilt: Der »NS-Staat« konnte nicht immer, wie er wollte. Vieles entfaltet sich »den Umständen entsprechend« wildwüchsig. An Orten, wo dies möglich war, ging man aufs Ganze. Andernorts ging man eher den Weg des geringsten Widerstandes. Bei der Einrichtung der Wiesbadener »Judenhäuser« wird dies überdeutlich.
Willy Rink erzählt, dass die Trennlinien in seinem Wohnhaus und -viertel vor 1933 nicht zwischen Juden und Nichtjuden verliefen, sondern zwischen arm und reich, zwischen Arbeiterschaft und Kleinbürgertum. Die Hermannstraße 26 wurde, wie fast alle anderen Wiesbadener »Judenhäuser« auch, bis zuletzt keineswegs ausschließlich von Angehörigen der verfemten »Rasse« bewohnt. Vielmehr lebten auch hier mehrheitlich »arische« Familien, die in diesen wohnungspolitisch schwierigen Zeiten ihre eigenen vier Wände keinesfalls aufgeben wollten. Nach seinem Einzug war Artur Ackermann zunächst noch als Respektsperson wahrgenommen worden. Als national eingestellter Jude war er stolz darauf, im Ersten Weltkrieg sein Leben für das »Vaterland« gewagt zu haben.

Hermannstraße 26

»Juden und Nichtjuden

unter einem Dach«

Hermannstr. 26 I  Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hermannstr. 26 I  Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hermannstr. 26 I  Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Ackermann Arthur Deportation 10. Juni 1942 Ackermann Cilli (Klara) Deportation 10. Juni 1942 Bronne geb. Beisinger, Emilie Emma Umzug nach Stiftstr. 14 III Deportation 10. Juni 1942 Bronne Gertrud Umzug nach Stiftstr. 14 III Deportation 10. Juni 1942 Bronne Ruth Umzug nach Stiftstr. 14 III Deportation 10. Juni 1942 Bronne Ludwig Umzug nach Stiftstr. 14 III Deportation 10. Juni 1942 Feibel Ferdinand Deportation 1. September 1942 Feibel geb. Guthmann, Ida Deportation 1. September 1942 Isselbächer Eleonore Emigration 8. Apil 1939 Isselbächer Hermann Emigration 8. Apil 1939 Isselbächer geb. Strauss, Karolina Emigration 8. Apil 1939 Landau Emil Ludwig Deportation 10. Juni 1942 Löwenstein Hermann Deportation 10. Juni 1942 Löwenstein Ilse Deportation 10. Juni 1942 Löwenstein geb. Vogel, Selma Deportation 10. Juni 1942 Scher geb. Ackermann, Elsa Rosa Emigration 9. Februar 1940 Scher Raffael Emigration 9. Februar 1940 Sichel Heinrich Umzug in die Rheingauerstr. 5, Selbstmord am 21. August 1942 Strauss Josef Emigration 8. Apil 1939 Strauss Julius Emigration 8. Apil 1939 Strauss geb. Bender, Karoline Deportation 1. September 1942 Strauss Liebmann Deportation 1. September 1942 Wolf Albert Umzug 15. Dezember 1940, Umzug 15. Dezember 1940, im jüdischen Krankenhaus Mainz am 26. Dezember 1941 verstorben Wolf Ernst Siegmund Deportation 1. September 1942 Wolf geb. Feibel, Hilda Deportation 1. September 1942 Wolf Inge Deportation 10. Juni 1942
Willy Rink schildert Szenen grausamer Demütigung: »Ich sehe und höre Herrn Ackermann immer noch, wie er, auf seine schwarz-weiß-rote Ordensspange am Revers deutend, den Kindern zurief, er habe im Weltkrieg als deutscher Soldat gedient und sei wegen erwiesener Tapferkeit ausgezeichnet worden. Er sei Deutscher so wie ihre Eltern und sie, die frechen Kinder. Dabei hatte er Tränen in den Augen, zitterte am ganzen Körper, machte hilflose Handbewegungen, verlor die Sprache und verließ die Szene. Hilflose Reaktionen, die die Kinder nur zu lauterem Lachen und neuerlichem ‚Jud, Jud, Jud’ ermunterten. Dem gleichen Verhalten sahen sich Frau Ackermann, später auch die Löwensteins, die Wolfs und die Strauss ausgesetzt, nachdem sie in unser Haus eingewiesen worden waren. Ich erinnere mich nicht, dass ein Erwachsener den Kindern jemals Einhalt geboten hätte.«
Kirchgasse 43 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Kirchgasse 43

Dem Namen nach war dieses Gebäude kein »Judenhaus«. Im Pflaster sind acht Stolpersteineverlegt. Auch auf die letzte Wohnstätte von Erna Loeb und Dr. Alfred Loeb wird glänzend aufmerksam gemacht. Sie wurden am 10. Juni 1942 deportiert.
Hirschkind Siegmund Deportation 10. Juni 1942 Hirsch, geb. Loeb, Anna Deportation 10. Juni 1942 Jacobsohn Julius Deportation 10. Juni 1942 Jacobsohn geb. Cohn, Hedwig Deportation 10. Juni 1942 Krizek geb. Lang, Hermine Deportation 10. Juni 1942 Löb Dr. Alfred Deportation 10. Juni 1942 Löb Erna Deportation 10. Juni 1942
Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Hallgarter Straße 6

Abraham geb. Kahn, Paula Deportation 1. September 1942 Baruch Lilly Deportation 1. September 1942 Baruch Ludwig Deportation 1. September 1942 Danneboom Julius Emigration Danneboom Max/Markus Emigration Danneboon geb. Löwenstein, Regina Emigration Gottschall Jakob Deportation 1. September 1942 Haas Berthold Deportation 1. September 1942 Haas geb. Müller, Clothilde Deportation 1. September 1942 Kahn Emil Deportation 1. September 1942 Kahn Julius Deportation 1. September 1942 Kahn geb. Blumenthal, Martha Deportation 1. September 1942 Haas, Eugenie Deportation 10. Juni 1942 Katz Amalie Deportation 1. September 1942 Levy Arthur Deportation 10. Juni 1942 Levy Emma Lucie Deportation 10. Juni 1942 Levy geb. Hirschheimer, Irma Deportation 10. Juni 1942 Levy geb. Cohen, Karolina Lina Deportation 1. September 1942 Levy Mathilde Deportation 1. September 1942 Löwenthal Julius Umzug Rose geb. Fraenkel, Clara Deportation 1. September 1942 Wolf Hanna Deportation 10. Juni 1942

Umsiedlung

Da, wo man Jüdinnen und Juden nicht haben wollte, sollten sie raus – dort wo man sie haben wollte, sollten sie rein. Das an 30. April 1939 beschlossene »Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden« sorgte für klare, antisemitische Verhältnisse: Ab diesem Zeitpunkt konnte Jüdinnen und Juden ihre Wohnung unabhängig von der Vertragsdauer gekündigt werden.
Emserstr. 2 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kapellenstr. 18-20 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Langgasse 8,10,12,14 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Neugasse 2-4 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Schwalbacherstr. 57,59,61 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Leberweg 5 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Lanzstr. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Lanzstr. 3 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kaiser-Friedrich-Ring 80-82 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kaiser-Friedrich-Ring 80-82 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Luisenstr. 15,17 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Am Römertor 2 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kaiser-Friedrich-Ring I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Schwalbacher Straße, Nr. 57-59-61 (v.r.n.l.), 1918
Luisen/Ecke Bahnhofstraße Nr. 15, links Nr. 17, 1912
Kaiser-Friedrich-Ring Nr. 72, 1911
Am Römertor 2
Leberweg 5, 1907
Berney, Felix Deportation 10. Juni 1942 Berney, geb. Katz, Rosalie Deportation 10. Juni 1942
Kaplan, Adolf Deportation 10. Juni 1942
Berney, Heinrich Deportation 10. Juni 1942 Berney, Lina Deportation 10. Juni 1942 Berney, Bettina Deportation 10. Juni 1942
Meyer, Olga Deportation 10. Juni 1942
Marxheimer, Gertrud Deportation 10. Juni 1942
Kaiser-Friedrich-Ring 64 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Kaiser-Friedrich-Ring 64
David, geb, Heymann, Margarete Deportation 10. Juni 1942
Langgasse Nr. 8-10-12-14, 1910
Blumenthal, Richard Deportation 10. Juni 1942 Blumenthal, Harri Deportation 10. Juni 1942 Blumenthal, geb. Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, Hilde Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, Isaak Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, geb. Kahn, Lina Deportation 10. Juni 1942
Kapellenstraße, links Nr. 18-20, 1906
Jahl, Karla Deportation 10. Juni 1942
Kaiser-Friedrich-Ring Nr. 80-82, 1909
Briefwechsler, geb. Deportation 10. Juni 1942 Blumenthal, Paula Briefwechsler, Walter Deportation 10. Juni 1942 Kahn, Julius Deportation 10. Juni 1942 Kahn, geb. Kahn, Erna Deportation 10. Juni 1942 Kahn, Lore Deportation 10. Juni 1942 Terhoch, geb. Deportation 10. Juni 1942 Obermayer, Emma Terhoch, Heda Deportation 10. Juni 1942 Terhoch, Irma Deportation 10. Juni 1942
Neugasse Nr. 2-4, 1909
Golomb, Leo Deportation 10. Juni 1942 Levy, Edith Deportation 10. Juni 1942 Peusner, Willy Deportation 10. Juni 1942 Schönberg, Deportation 10. Juni 1942 geb. Steinberg, Rosa
Zwergel, Margarete Deportation 10. Juni 1942
Emser Straße 2, 1907
Lanzstraße 3, 1908
Lanzstraße 6, 1911
Glogowski Dr., Arnold Deportation 10. Juni 1942 Glogowski, geb. Lewin- Deportation 10. Juni 1942 berg, Gertrud Meyer, Dorothea Deportation 10. Juni 1942
Levi, Deportation 10. Juni 1942 Johanna
Kaiser-Friedrich-Ring
Aus den Hausnummern 20, 43, 65 wurden sechs weitere Personen am 10. Juni 1942 deportiert.
Bilder: Daten-, Plan- und Bild-Archiv Bubner, Mainz; Kaiser-Friedrich-Ring 64, Stadtarchiv Wiesbaden
Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Stadtarchiv Wiesbaden
Karte:Sammlung Klaus Flick

»Lauschend vergessen die Mädchen ihre Angst und rühren sich lange

nicht, bis die Tür sich plötzlich öffnet.

Ein gebückter aller Mann, die Haut wächsern, steht vor ihnen. Sie sind sich

sicher, dass er sie fragen wird, was sie hier wollen, doch sein Blick geht

durch sie hin durch. Seine Hose ist zu weit und wird nur von einem alten

Gürtel gehalten. Ohne die Mädchen wahrzunehmen, schleicht er an ihnen

vorüber. Aber Hatü erkennt ihn wieder und die Erinnerung lässt sie

erstarren.

Wie sie mit der Mutter zum Einkaufen ging, früh am Morgen, und plötzlich

war da Glas auf dem Bürgersteig und knirschte unter ihren Schritten, und

es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass es die Scheiben der

Geschäfte waren, an denen sie vorbeigingen. Überall hingeschmierte

Davidsterne an den Türen.

[ ]

Dann standen sie vor einem Mann, der in den Scherben seines

Schaufensters kniete, in Resten der Etagen und Regale, herausgerissen

und zertrampelt mitsamt den Hüten und Mützen, die gestern wohl noch

sorgsam darauf drapiert gewesen waren.

Das war er gewesen.«

»Sie sieht die alte Frau Friedmann vorübergehen. Die trägt den gelben

Stern. Hatü kennt Frau Friedmann und ihren Mann, weil die beiden früher

in dem herrschaftlichen Haus neben der Schule gewohnt haben, zu dem

die alte Frau jetzt hinüberspäht. Sie hat oft auf den breiten Stufen vor der

Tür gestanden und mit Schülerinnen gesprochen, nun sind die

Fensterläden verrammelt. Mussten verkaufen, hat die Mutter erklärt. Mit

dem Geld wollten sie auswandern, doch das ist offenbar nicht gelungen.«

»Herzfaden« - Roman der Augsburger Puppenkiste von Thomas Hettche, Kiepenheuer & Witsch, September 2020, Seiten 27, 30-31

aus: »Herzfaden«

Roman der Augsburger Puppenkiste

10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Luisenstr. 15,17 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Die Hermannstraße 26 heute. Foto: Klaus Flick

oben rechts: Das ehemalige Judenhaus in der Hallgarter Str. 6.

Foto Klaus Flick.

oben: Das ehemalige Judenhaus in der

Hallgarter Str. 6-früher. Sammlung M. Sauber.

Mit freundlicher Genehmigung.

Letzte Wohnorte

Alte Ansichten

AMS-Erinnerungsblatt an Arthur und Cilli (Chaja/Klara) Ackermann.

Bunker – ach, so nah und ach, so fern!

Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Es folgten Invasion um Invasion, Angriff um Angriff. Die deutschen Attacken kosteten Millionen Tote. Die Versklavung und Ausplünderung großer Teile Europas sorgten für weiteres schreckliches Leid. Der Krieg wurde vom NS-Regime in andere Länder getragen. Am Ende kehrte der Krieg mit voller Gewalt nach Deutschland zurück. Den schwersten Luftangriff während des Zweiten Weltkrieges erlebte Wiesbaden in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945. Dabei starben weit mehr als 500 Menschen, 28.000 wurden obdachlos. Eigenes Leid und eigenen Schmerz darf man beklagen. Eigenes Leid und eigenen Schmerz machen eigene Täterschaft oder Mittäterschaft nicht ungeschehen. Leid und Schmerz lassen sich nicht gegen Schuld oder Mitschuld aufrechnen. Schuld ist keine Recheneinheit. Leid ist keine Recheneinheit. Beide stehen für sich. Die Dramatik großen Leids und hoher Opferzahlen machen nur allzu leicht vergessen, wie früh die Menschen in Wiesbaden und anderswo in Deutschland mit Fliegeralarm und Bunkernächten erste Bekanntschaft machten, wie früh sich Angst und Schrecken in den Alltag einnisteten.
Bunker, Luftangriffe Wiesbaden 2. Weltkrieg I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Luftangriffe Wiesbaden 2. Weltkrieg I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Kurze Auszüge aus dem Buch »Nachbarn – Bahnhofstraße 44/46«

von Veronika Moos belegen das eindrucksvoll:

»4. September 1939, Heinrich [Moos] an Hildegard [Moos], Wiesbaden nach Villingen Heute früh […] hatten wir um halb sechs Fliegeralarm von sehr kurzer Dauer, als eng-lische Flugzeuge versucht haben, über Holland nach Deutschland einzufallen. […]« »6. Juli 1940, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos], Wiesbaden nach Lèves bei Chartres […] Die ersten Tage da Du fort warst, waren schwer. Wir hatten alle Nacht Flieger-alarm. Seit vier Tagen ist nun Ruhe. […]« »14./15, Juli 1940, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos], Wiesbaden nach Lèves bei Chartres […] Mein Lieb, es ist schon spät Abend geworden, ich werde wohl gleich aufbleiben bis zum Fliegeralarm. […]« »13. August 1940, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos], Wiesbaden nach Vierville-sur-Mer […] Fünf Nächte hintereinander waren wir wieder 2-3 Stunden im Keller. Einmal sogar zweimal in der Nacht. […]« »1. Dezember 1940, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos], Wiesbaden nach Frankreich, Normandie […] Wir saßen gerade beim Nachtessen, als die Sirenen ertönten und bald danach ging eine tolle Schießerei los. […]« »6. Mai 1941, [Sohn] Gerhard [Moos] an [Vater] Heinrich [Moos], Wiesbaden nach Frankreich, Normandie […] Mein Lieber Papa! Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Die Flieger waren wohl bei uns und es haben auch in unserer Nähe zwei Sprengbomben eingeschlagen. Die Scheiben und Glasdächer am Bahnhof sind ganz kaputt. In der Wintermayerstraße sind 6 Häuser futsch. […]« »6. Juli 1941, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos],Wiesbaden nach Caen […] da steht noch der volle Mond am Himmel, den ich sonst immer so gernhatte, jetzt aber mir unheimliches Grauen einflößt, weil ich ja immer denke, die Flieger kommen, und wenn nicht zu uns, dann zu so viel anderen deutschen Menschen. […]«
Soweit das nachfühlbare »Grauen« der »nicht-jüdischen« Frau Moos aus der Bahnhofstraße 44. Wie mögen sich 1941 angesichts der Gefahrenzuspitzung durch Luftangriffe wohl Wiesbadenerinnen und Wiesbadener gefühlt haben, die der NS-Staat als »jüdisch« abgestempelt hat. Für sie galt bereits seit dem 25.September 1939: »Es ist Juden verboten, ihre Wohnungen nach 8 Uhr abends zu verlassen.« Der nächtliche »Luftschutz« von Bunkern und Kellern war ihnen damit weitgehend verwehrt.
Luftschutzraum und Bunker in den 1940er Jahren. Fotograf Willy Rudolph. Plakat »Deckung suchen« von 1941. Stadtarchiv Wiesbaden. Buch: Bahnhofstraße 44/46 | Leben zweier Familien in Briefen; die Jahre 1939-42 der »arischen« Familie Moos und der jüdischen Familie Strauss. Hrsg. Veronika Moos. Waldemar Kramer Verlag, März 2022
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Aktuelles Erinnerungsblatt I

Judenhäuser in Wiesbaden

Lageplan Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Wozu »Judenhäuser«?

Die Einrichtung von »Judenhäusern« folgte eindeutigen

Absichten. Sie diente nachweislich der Enteignung,

Entrechtung, Ausgrenzung, Kontrolle von Jüdinnen und

Juden sowie der Vorbereitung der Deportation

und des organsierten Massenmords.

Lageplan Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

»Judenhäuser« als Instrumente

der Kontrolle und Ausgrenzung

Karte:Sammlung Klaus Flick
10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Luisenstr. 15,17 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kirchgasse 43 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Kirchgasse 43

Dem Namen nach war dieses Gebäude kein »Judenhaus«. Im Pflaster sind acht Stolpersteine verlegt. Auch auf die letzte Wohnstätte von Erna Loeb und Dr. Alfred Loeb wird glänzend aufmerksam gemacht. Sie wurden am 10. Juni 1942 deportiert. Ebenso wie diese weiteren Bewohner:
Hirschkind, Siegmund Deportation 10. Juni 1942 Hirsch, geb. Loeb, Anna Deportation 10. Juni 1942 Jacobsohn, Julius Deportation 10. Juni 1942 Jacobsohn, geb. Cohn, Deportation 10. Juni 1942 Hedwig Krizek, geb. Lang, Hermine Deportation 10. Juni 1942 Löb Dr. , Alfred Deportation 10. Juni 1942 Löb, Erna Deportation 10. Juni 1942

Umsiedlung

Da, wo man Jüdinnen und Juden nicht haben wollte, sollten sie raus – dort wo man sie haben wollte, sollten sie rein. Das am 30. April 1939 beschlossene »Gesetz über die Mietverhält- nisse mit Juden« sorgte für klare, antisemitische Verhältnisse: Ab diesem Zeitpunkt konnte Jüdinnen und Juden ihre Wohnung unabhängig von der Vertragsdauer gekündigt werden.
Luisen/Ecke Bahnhofstraße, 1912
Die Nazis hatten das Judentum zum »Hass-Objekt« auserkoren. Darüber, wie man dieses »Hass-Objekt« am besten unter Kontrolle halten könne, gab es zunächst durchaus unterschiedliche Vorstellungen: Generalfeldmarschall Hermann Göring kam in einer Sitzung im Reichsluft-fahrtministerium am 14. Oktober 1938 wie es im stenografischen Protokoll heißt –»auf das Judenproblem zu sprechen. Die Judenfrage müsste jetzt mit allen Mitteln ange- fasst werden, denn sie müssten aus der Wirtschaft raus. […] Er verwies auf die Möglichkeit, für die aus ihren bisherigen Unterkünften entfernten Juden im Notfall […] Ghettos in den einzelnen Großstädten ein[zu]richten. « Gegen eine Umsetzung dieser Ghetto-Strategie wandte sich Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts mit den Worten: »Das Ghetto in der Form vollkommen abgesonderter Stadt- teile, wo nur Juden sind, halte ich polizeilich für nicht durch- führbar. […] Die Kontrolle des Juden durch das wachsame Auge der gesamten Bevölkerung ist besser, als wenn Sie die Juden zu tausenden und aber tausenden in einem Stadtteil haben, wo ich durch uniformierte Beamte eine Überwachung des täglichen Lebenslaufes nicht herbeiführen kann.« Heydrich machte sich stattdessen für die Einrichtung von kon- zentrierten Wohneinheiten und Sammelstellen für Jüdinnen und Juden stark. Derartige »Judenhäusern« mit hoher Wohndichte hielt er für die geeigneteren Kontrollobjekte. Mit dieser Auffassung setzte Heydrich sich weitgehend durch. Am 28. Dezember 1938 erließ Hermann Göring in seiner Funktion als »Beauftragter des Vierjahresplans« eine zunächst noch geheime Richtlinie, mit der die Umsiedlung der Jüdinnen und Juden in »Judenhäuser« durchgesetzt werden sollte. Die Zusammenführung von Jüdinnen und Juden in einer über- schaubaren Zahl von Liegenschaften erleichterte ohne Frage ihre Überwachung und sicherte den NS-Häschern einfache Zugriffsmöglichkeiten. Der Versuch einer räumlichen Absonderung der jüdischen von nicht-jüdischen Bevölkerungsteilen war zugleich Teil einer umfassenderen Strategie der sozialen Isolation und Stig- matisierung. Deren bekanntester Terrorakt bestand ohne Frage in der am 19. September 1941 in Kraft gesetzten »Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden«, die alle Betroffenen im Deut-schen Reich zum Tragen des »Judensterns« verpflichtete. Mit dieser Kennzeichnungspflicht verband sich das Verbot, die Wohngemeinde ohne Erlaubnis zu verlassen. In seinem 1966 erschienenen Buch »Die unbewältigte Sprache« merkte sein Autor Victor Klemperer dazu an: »Jetzt, da der Judenstern eingeführt war, tat es nichts mehr zur Sache, ob die Judenhäuser zerstreut lagen oder ein eigenes Viertel bildeten, denn jeder Stern-jude trug sein Ghetto mit sich, wie eine Schnecke ihr Haus.« Selbst damit gaben sich die Nazis nicht zufrieden, sie wollten auch eine gut sichtbare Stigmatisierung auch an Ort und Stelle. Reinhard Heydrich dazu wörtlich: »Da die Juden jede Möglichkeit benutzen, um sich auch wei- terhin zu tarnen, erweist es sich als notwendig, die Kennzeichnung der Wohnungen von Juden durchzuführen«. Mit Runderlass vom 13. Februar 1942 wurde verfügt, dass die Wohnungen und Häuser von Jüdinnen und Juden mit einem Stern zu kennzeichnen sind. Detailversessen hieß es: »Die Kennzeichnung hat durch einen Judenstern aus Papier zu erfolgen, der in Form und Größe dem […] vorgeschriebenen Kennzeichen entspricht, jedoch in weißer Farbe gehalten wird, damit er sich von den mei- stenteils braunen Türen besser abhebt. Das Kennzeichen ist unmittelbar neben dem Namensschild oder in Erman- gelung eines solchen sonst wie am Wohnungseingang von außen und für jedermann sichtbar durch Aufkleben zu befestigen.« In dem Märchen »Ali Baba und die vierzig Räuber« schützt die kluge Dienerin Mardschana ihren Herrn Ali Baba, indem sie die massenhafte Kennzeichnung von Häusern auf die Spitze treibt. Die Nazis trieben die Kennzeichnung von Häusern auf die Spitze, um etwas ganz anderes deutlich zu machen: Wer hier wohnt, ist ein »Untermensch«, ist »Freiwild«.
Die Judenfrage müsste jetzt mit allen Mitteln angefasst werden, denn sie müssten aus der Wirtschaft raus. […]
Die Kontrolle des Juden durch das wachsame Auge der gesamten Bevölkerung ist besser,..
Mit dieser Auffassung setzte Heydrich sich weitgehend durch.
Der Versuch einer räumlichen Absonderung der jüdischen von nicht-jüdischen Bevölkerungsteilen war zugleich Teil einer umfassenderen Strategie der sozialen Isolation und Stigmatisierung.
Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden

Hallgarter Straße 6

Hallgarter Str. 6 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Abraham geb. Kahn, Paula Deportation 1. September 1942 Baruch Lilly Deportation 1. September 1942 Baruch Ludwig Deportation 1. September 1942 Danneboom Julius Emigration Danneboom Max/Markus Emigration Danneboon geb. Löwenstein, Regina Emigration Gottschall Jakob Deportation 1. September 1942 Haas Berthold Deportation 1. September 1942 Haas geb. Müller, Clothilde Deportation 1. September 1942 Kahn Emil Deportation 1. September 1942 Kahn Julius Deportation 1. September 1942 Kahn geb. Blumenthal, Martha Deportation 1. September 1942 Haas, Eugenie Deportation 10. Juni 1942 Katz Amalie Deportation 1. September 1942 Levy Arthur Deportation 10. Juni 1942 Levy Emma Lucie Deportation 10. Juni 1942 Levy geb. Hirschheimer, Irma Deportation 10. Juni 1942 Levy geb. Cohen, Karolina Lina Deportation 1. September 1942 Levy Mathilde Deportation 1. September 1942 Löwenthal Julius Umzug Rose geb. Fraenkel, Clara Deportation 1. September 1942 Wolf Hanna Deportation 10. Juni 1942

ganz rechts: Das ehemalige Judenhaus in

der Hallgarter Str. 6. Foto Klaus Flick.

rechts: Das ehemalige Judenhaus in der

Hallgarter Str. 6-früher. Sammlung M. Sauber.

Mit freundlicher Genehmigung.

Langgasse 8,10,12,14 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Neugasse 2-4 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Schwalbacherstr. 57,59,61 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Kaiser-Friedrich-Ring 80-82 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden Am Römertor 2 I Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Schwalbacher Straße, Nr. 57-59-61 (v.r.n.l.), 1918
Kaiser-Friedrich-Ring Nr. 72, 1911
Am Römertor 2
Berney, Felix Deportation 10. Juni 1942 Berney, geb. Katz, Rosalie Deportation 10. Juni 1942
Jahl, Karla Deportation 10. Juni 1942
Levi, Deportation 10. Juni 1942 Johanna

Letzte Wohnorte Alte Ansichten

Kaplan, Adolf Deportation 10. Juni 1942
Meyer, Olga Deportation 10. Juni 1942
Marxheimer, Gertrud Deportation 10. Juni 1942
Langgasse Nr. 8-10-12-14, 1910
Blumenthal, Richard Deportation 10. Juni 1942 Blumenthal, Harri Deportation 10. Juni 1942 Blumenthal, geb. Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, Hilde Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, Isaak Deportation 10. Juni 1942 Schwarz, geb. Kahn, Lina Deportation 10. Juni 1942
Neugasse Nr. 2-4, 1909
Golomb, Leo Deportation 10. Juni 1942 Levy, Edith Deportation 10. Juni 1942 Peusner, Willy Deportation 10. Juni 1942 Schönberg, Deportation 10. Juni 1942 geb. Steinberg, Rosa
Mehr davon

»Lauschend vergessen die

Mädchen ihre Angst und rüh-

ren sich lange nicht, bis die

Tür sich plötzlich öffnet.

Ein gebückter aller Mann, die

Haut wächsern, steht vor

ihnen. Sie sind sich sicher,

dass er sie fragen wird, was

sie hier wollen, doch sein

Blick geht durch sie hin durch.

Seine Hose ist zu weit und

wird nur von einem alten

Gürtel gehalten. Ohne die

Mädchen wahrzunehmen,

schleicht er an ihnen vorüber.

Aber Hatü erkennt ihn wieder

und die Erinnerung lässt sie

erstarren.

Wie sie mit der Mutter zum

Einkaufen ging, früh am

Morgen, und plötzlich war da

Glas auf dem Bürgersteig und

knirschte unter ihren

Schritten, und es dauerte

einen Moment, bis sie begriff,

dass es die Scheiben der

Geschäfte waren, an denen sie

vorbeigingen. Überall hinge-

schmierte Davidsterne an den

Türen. «

»Sie sieht die alte Frau

Friedmann vorübergehen. Die

trägt den gelben Stern. Hatü

kennt Frau Friedmann und

ihren Mann, weil die beiden

früher in dem herrschaftlichen

Haus neben der Schule ge-

wohnt haben, zu dem die alte

Frau jetzt hinüberspäht. Sie

hat oft auf den breiten Stufen

vor der Tür gestanden und

mit Schülerinnen gesprochen,

nun sind die Fensterläden ver-

rammelt. Mussten verkaufen,

hat die Mutter erklärt. Mit

dem Geld wollten sie auswan-

dern, doch das ist offenbar

nicht gelungen.

[ ]

Dann standen sie vor einem

Mann, der in den Scherben

seines Schaufensters kniete,

in Resten der Etagen und

Regale, herausgerissen und

zertrampelt mitsamt den

Hüten und Mützen, die ges-

tern wohl noch sorgsam dar-

auf drapiert gewesen waren.

Das war er gewesen.«

»Herzfaden« - Roman der Augsburger Puppenkiste von Thomas Hettche, Kiepenheuer & Witsch, September 2020, Seiten 27, 30-31

aus: »Herzfaden«

Roman der Augsburger Puppenkiste

Willy Rink erzählt, dass die Trennlinien in seinem Wohnhaus und -viertel vor 1933 nicht zwischen Juden und Nichtjuden verliefen, sondern zwischen arm und reich, zwischen Arbeiterschaft und Kleinbürgertum. Die Hermannstraße 26 wurde, wie fast alle anderen Wiesbadener »Judenhäuser« auch, bis zuletzt keineswegs ausschließlich von Angehörigen der verfemten »Rasse« bewohnt. Vielmehr lebten auch hier mehrheitlich »arische« Familien, die in diesen wohnungspolitisch schwierigen Zeiten ihre eigenen vier Wände keinesfalls aufgeben wollten. Nach seinem Einzug war Artur Ackermann zunächst noch als Respektsperson wahrgenommen worden. Als national eingestellter Jude war er stolz darauf, im Ersten Weltkrieg sein Leben für das »Vaterland« gewagt zu haben.

Hermannstraße 26

»Juden und Nichtjuden unter einem Dach«

Hermannstr. 26 I  Judenhäuser Wiesbaden I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Die Hermannstraße 26 heute. Foto: Klaus Flick
Bilder: Daten-, Plan- und Bild-Archiv Bubner, Mainz
Willy Rink schildert Szenen grausamer Demütigung: »Ich sehe und höre Herrn Ackermann immer noch, wie er, auf seine schwarz-weiß-rote Ordensspange am Revers deutend, den Kindern zurief, er habe im Weltkrieg als deutscher Soldat gedient und sei wegen erwiesener Tapferkeit ausgezeichnet worden. Er sei Deutscher so wie ihre Eltern und sie, die frechen Kinder. Dabei hatte er Tränen in den Augen, zitterte am ganzen Körper, machte hilflose Handbewegungen, verlor die Sprache und verließ die Szene. Hilflose Reaktionen, die die Kinder nur zu lauterem Lachen und neuerlichem ‚Jud, Jud, Jud’ ermunterten. Dem gleichen Verhalten sahen sich Frau Ackermann, später auch die Löwensteins, die Wolfs und die Strauss ausgesetzt, nachdem sie in unser Haus eingewiesen worden waren. Ich erinnere mich nicht, dass ein Erwachsener den Kindern jemals Einhalt geboten hätte.«
Der vollständige Text Der vollständige Text

Bunker – ach, so nah und ach, so fern!

Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Es folgten Invasion um Invasion, Angriff um Angriff. Die deutschen Attacken kosteten Millionen Tote. Die Versklavung und Ausplünderung großer Teile Europas sorgten für weiteres schreckliches Leid. Der Krieg wurde vom NS-Regime in andere Länder getragen. Am Ende kehrte der Krieg mit voller Gewalt nach Deutschland zurück. Den schwersten Luftangriff während des Zweiten Weltkrieges erlebte Wiesbaden in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945. Dabei starben weit mehr als 500 Menschen, 28.000 wurden obdachlos.
Luftangriffe Wiesbaden 2. Weltkrieg I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
»6. Juli 1941, Hildegard [Moos] an Heinrich [Moos],Wiesbaden nach Caen […] da steht noch der volle Mond am Himmel, den ich sonst immer so gernhatte, jetzt aber mir unheimliches Grauen einflößt, weil ich ja immer denke, die Flieger kommen, und wenn nicht zu uns, dann zu so viel anderen deutschen Menschen. […]«
Soweit das nachfühlbare »Grauen« der »nicht-jüdischen« Frau Moos aus der Bahnhofstraße 44. Wie mögen sich 1941 angesichts der Gefahrenzuspitzung durch Luftangriffe wohl Wiesbadenerinnen und Wiesbadener gefühlt haben, die der NS-Staat als »jüdisch« abgestempelt hat. Für sie galt bereits seit dem 25.September 1939: »Es ist Juden verboten, ihre Wohnungen nach 8 Uhr abends zu verlassen.« Der nächtliche »Luftschutz« von Bunkern und Kellern war ihnen damit weitgehend verwehrt.
Bunker, Luftangriffe Wiesbaden 2. Weltkrieg I 10. Juni 1942 I Juden-Deportation Wiesbaden I Aktives Museum Spiegelgasse Wiesbaden
Luftschutzraum in den 1940er Jahren. Fotograf Willy Rudolph. Plakat »Deckung suchen« von 1941. Stadtarchiv Wiesbaden. Buch: Bahnhofstraße 44/46 | Leben zweier Familien in Briefen; die Jahre 1939-42 der »arischen« Familie Moos und der jüdischen Familie Strauss. Hrsg. Veronika Moos. Waldemar Kramer Verlag, März 2022
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Enteignung

Die Nazis wussten: Um die Beute der »Entjudung« wird es erbitterte Verteilungskämpfe geben. Beim Geld hören Freundschaft und »Volksgemeinschaft« auf da ist sich jeder und jede selbst am nächsten. Die Nazis wussten zugleich um die Wichtigkeit eines funktionsfähigen Staates, einer funktionsfähigen Verwaltung, einer funktionsfähigen Volkswirtschaft. Deshalb waren sie besorgt, wilde Plünderungen in Schach zu halten.
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Auch eine Diktatur kennt

die »Mühen der Tiefebene«

Von Führung und Kontrolle zu reden, ist das eine. Diese Absichten effizient umzusetzen, das andere. Der »NS-Staat« kannte keine Gnade. Aber der »NS-Staat« war keine Diktatur aus einem Guss. Das »Führerprinzip« sicherte konkurrierenden Machtträgern in den Parallel-Universen von Parteigliederungen, Justiz und Verwaltung, Reichswehr, Wirtschaftsverbänden etc., etc. weitreichende Befug- nisse zu, die oft auf Kollisionskurs lagen und sich wechselseitig blockierten. Zudem funktioniert auch ein mit rechtlichen Vorschriften, finan- ziellen Sanktionen und Anreizen gefügig gemachter Privatsektor nicht durchgängig nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Ein weiteres Handicap bildeten die von der radikalen antisemitischen Staatsideologie befeuerten Erwartungen und Begehrlichkeiten. Sie entfalteten immer wieder eine Eigendynamik, die Herrschafts- interessen torpedierte. Deshalb gilt: Der »NS-Staat« konnte nicht immer, wie er wollte. Vieles entfaltet sich »den Umständen entsprechend« wildwüchsig. An Orten, wo dies möglich war, ging man aufs Ganze. Andernorts ging man eher den Weg des geringsten Widerstandes. Bei der Einrichtung der Wiesbadener »Judenhäuser« wird dies überdeutlich.

AMS-Erinnerungsblatt an

Arthur und Cilli (Chaja/Klara)

Ackermann.